Mal biken statt hiken

Zu Fuß sind die Strecken etwa zum Supermarkt zu lang und wenn wir mit dem Auto fahren, haben wir zu wenig Bewegung. Fahrradfahren, dachten wir uns, sei eine gute Alternative. Also, haben wir uns bereits an unserem ersten Standort in Waikanae nach Fahrrädern erkundigt. Die Enttäuschung war groß, als wir erfuhren, dass die Miete für ein Fahrrad mindestens 25 NZ$ pro Tag bei einer Langzeitmiete betragen sollte, denn das wären mal zwei umgerechnet 35 Euro pro Tag gewesen. Plan B lautete, gebrauchte Fahrräder kaufen. Doch auch das war zumindest an der Kapiti Coast nicht so einfach. Die Fahrradhändler machen das wegen gesetzlicher Garantieansprüche nicht und privat wurden wenig angeboten. Zudem hätten wir dann zwar Fahrräder gehabt, diese aber wieder verkaufen müssen, da wir ja noch weiterziehen wollten.

Umso größer war die Freude, als wir hier in Richmond im "Cash n Trade" - einem Pfandleihhaus für Gebrauchsgegenstände und Elektroartikel - zwei gute gebrauchte Fahrräder zu akzeptablen Preisen fanden. Gesehen, getestet, verhandelt, gekauft inklusive zwei gebrauchter Helme, da in Neuseeland Helmpflicht für Radler besteht. Um nicht von fehlerhaften Bremsen oder einer nicht funktionierenden Gangschaltung überrascht zu werden, haben wir die Räder in der Werkstatt warten lassen. Und ruckzuck hatte sich der gute aktzeptable Preis zumindest für mein Gefährt, in einen inakzeptablen Preis verwandelt. Aber meiner Sicherheit zuliebe, haben wir dann zähneknirschend noch einmal 100 NZ$ in das Rad investiert. Und so sind wir nun häufig mit unseren fahrbaren Gestellen unterwegs und erkunden die Gegend. Manchmal laden wir die Räder auch in unser großes Auto und radeln an anderen Orten, wie etwa in Nelson.

Beim City Council in Nelson gibt es einen "Bike Nelson"-Führer im handlichen DIN A6 Format, den wir uns auf Anraten unseres Vermieters holen sollten. Gesagt, getan. Der freundliche Mitarbeiter steht nicht hinter, sondern vor dem Schalter und fragt uns, was er für uns tun kann. Als ich unser Anliegen kundtue, fragt er, wie viele ich bräuchte. Verdutzt sage ich: "Einer reicht." Nachdem er mir diesen ausgehändigt hat, frage ich ihn, was er dafür bekommt. Nach kurzem Zögern folgte die für uns  verblüffende Antwort, echt Kiwiana-like: "It's a beautiful day." Da hat der gute Mann recht und ich strahle ihn dafür an und bedanke mich herzlich. Wie es um die Gewichtung von Radwegen zu Wanderwegen bestellt ist, lässt sich auf Anhieb am unterschiedlichen Umfang des "Bike Nelson"- und des "Walk Nelson"-Führers erkennen. "Walk Nelson" ist doppelt so dick und beinhaltet 55 Touren, während "Bike Nelson" gerade mal 15 Touren enthält. In Köln und anderen deutschen Städten ist es wahrscheinlich eher umgekehrt.

Radfahren in Neuseeland ist für die meisten eine sportliche Aktivität. Man schwingt sich hier in den Sattel um Berge zu erklimmen, schnell zu fahren oder weite Strecken zurückzulegen. Das Rad als Ersatz für das Auto zu nutzen, um so zum Beispiel zur Arbeit oder gar zum Einkaufen zu kommen oder mal eine kurze Tour zu machen, ist wenig verbreitet. Schade, denn es gibt hier so viele ausgefallene, aber eher verwaiste Fahrradständer. Die Radwege hingegen sind leider rar. Die meisten Strecken muss man auf öffentlichen Straßen und manchmal sogar am Seitenstreifen des Highways fahren. Kein Wunder also, dass viele Fahrradfahrer mit grellgelben Sicherheitswesten unterwegs sind. Doch trotz vieler Hinweisschilder, Helmpflicht und Sicherheitswesten passieren viele Unfälle mit Radlern.

Wir halten uns fern von befahrenen Straßen und nutzen Nebenstrecken. In Mapua haben wir das Glück an den Tasman's Great Taste Trail, einen relativ neu angelegten 175 km langen Radwanderweg, angeschlossen zu sein. Den Namen verdankt die Strecke der Tatsache, dass man neben zahlreichen Weingütern mit Weinproben an guten Cafés, Eisdielen und vielen Obstständen vorbeikommt. Einige Kilometer sind wir davon sowohl in die eine als auch in die andere Richtung schon abgefahren. Ähnlich wie bei den Wanderwegen, sind die Strecken extrem gut ausgezeichnet. Zwischendurch weisen Schilder auf historische Begebenheiten und Naturereignisse hin oder laden Picknickplätze - natürlich mit Toiletten - zur Rast ein. Häufig fährt man an der herrlichen Küste entlang und ist somit auch dem Wind ausgesetzt, der selten mal aussetzt. Ein schönes Teilstück haben wir zwischen Motueka und Kaiteriteri zurückgelegt. In Motueka ist es flach und man bewegt sich am Meer entlang, dann folgen Obstplantagen und schließlich wird der Weg hinter Riwaka anspruchsvoller. Denn hier beginnen schon die Ausläufer des Abel Tasman Nationalparks. Wir finden uns schließlich in einem Mountainbike-Park mit der Auszeichnung "Easy Rider" wieder. Naja, wenn das easy ist, möchte ich die intermediate Teilstücke erst gar nicht ausprobieren. In Kaiteriteri endet der Great Taste Trail und wir werden mit einer Rast an dem herrlichen Strand, über den ich bereits berichtet habe, belohnt, bevor wir wieder zurückradeln.


Ab und an begegnen uns auch Fahrradtouristen, die mit dick beladenen Satteltaschen lange und häufig auch steile Wege zurücklegen. Als von Radwanderwegen entlang der großen Flüsse verwöhnte Deutsche, können wir uns eine mehrtägige Fahrradtour in Neuseeland nicht vorstellen. In zwei Wochen werden wir wieder bei Cash n Trade vorstellig, dieses Mal, um die Räder, die uns einen sehr guten Dienst erwiesen haben, zu einem guten Preis zu verkaufen.

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