Stumme Zeitzeugen

Unsere 8-tägige Rundreise hat uns zunächst vom Südwesten der Nordinsel in den Nordwesten geführt. Rund 800 km von unserem Heimathafen Waikanae Beach liegt der Waipoua Forest mit dem dicksten und mit dem größten heute noch lebenden Kauri Baum. Die Angaben zu ihrem Alter variieren stark. Man schätzt, dass sie zwischen 1.200 und 2.000 Jahre alt sind. Was könnten uns diese uralten Zeitzeugen alles erzählen, wenn sie sprechen könnten?

Zunächst würden sie uns wahrscheinlich von ihren Verwandten erzählen, von den unzähligen Kauri Bäumen, die vor der Besiedlung durch die Maori und später durch die weißen Siedler einfach abgeholzt und dank ihrer Größe und ebenen Stämme hauptsächlich für den Schiffbau verwendet wurden. Im Kauri Museum haben wir gesehen, mit welcher brachialen Gewalt der Mensch sich dieser jahrhundertealten Riesen bemächtigt hat. Es wurden sogar extra Staudämme gebaut, um die Stämme mit Wasserkraft ins Tal zu transportieren. In den Staudämmen wurde das Wasser gesammelt und die Stämme schwammen im See. Wenn genügend Wasser im See war, wurde am Damm ein riesiges Tor geöffnet und unter lautem Getöse drangen Wasser und Holz ins Tal. Mit schmerzverzerrter Baumkrone würden sie von den Gumdiggern erzählen, die ihnen Wunden zugefügt haben, damit ihr Lebenssaft, das wertvolle Harz herausläuft, um es später zu "ernten" und teuer zu verkaufen. Ich hatte das Gefühl, dass die stummen Zeitzeugen noch heute Tränen darüber vergießen.

Sie könnten von den Laufvögeln, wie etwa Moa, Kiwi, Kakapo, Takahe und Weka und vielen anderen mittlerweile zum Teil ausgestorbenen Vögeln berichten. Und uns von dem riesigen Buschland erzählen, dass bis zu 80% der Landfläche auf beiden Inseln ausmachte. Heute sind noch 24% des Landes mit einheimischem Wald bedeckt. Viele Erdbeben und einige Vulkanausbrüche haben sie überlebt und stehen immer noch kerzengerade und fest verwurzelt vor uns. Wir stehen ebenfalls wie angewurzelt vor ihnen und Ehrfurcht macht sich breit. Außer uns bestaunen noch ein paar andere Touristen die "Lords of Forest". Alle stehen oder sitzen zunächst andächtig davor, fast wie bei einer Audienz. Es folgt die obligatorische Fotosession.


"Tane Mahuta" ist nach dem Waldgott der Maori benannt. Mit 51,5 m Höhe, einem Umfang von 13,8 m und einer Holzmasse von 244,5 m 3 ist er der größte noch lebende Kauri.

"Te Matua Ngahere" ist mit 16,4 m Umfang und 208,1 m 3 Holzmasse der dickste Kauri, der heute noch auf der Erde exisitiert. Mit 30 m Höhe ist er zwar etwas kleiner als sein großer Bruder, erscheint aber aufgrund seiner Dicke als ebenso erhaben.

Der größte, durch einen Bericht aus dem Jahr 1919 überlieferte Kauri "Giant Kauri Ghost" lebte bis in die 1870er Jahre und hatte einen Stammdurchmesser von 8,5 m und einen Umfang von 26,8 m.

Seit 2005 hat man festgestellt, dass einige der noch verbliebenen Kauris krank werden und absterben. Schuld daran ist wohl ein schimmelähnlicher Organismus, der weder zu den Moosen noch zu den Pilzen zählt. Wer die Kauri Bäume besichtigen will, muss deshalb zunächst seine Schuhe desinfizieren und darf den angelegten Pfad nicht verlassen.

Heute steht der neuseeländische Kauri Baum - es gibt auch welche in Australien, Polynesien und auf den Philippinen - unter Naturschutz und darf nur noch für rituelle Zwecke von den Maori gefällt werden. Für kunstvolle Schalen oder Dekoartikel verwendet man nur noch kranke oder aus dem Sumpf gezogene Bäume. Die Sumpfbäume haben eine dunklere Farbe und wurden bis zu 50.000 Jahre konserviert. Ein Meter Kauristamm kostet 8.000NZ$ (ca. 5.200 Euro).

Wir haben auch junge Kauri Bäume gesehen und wünschen ihnen, dass sie die Chance haben so alt zu werden wie ihre noch lebenden Vorfahren. Und vielleicht berichten sie dann von vier Deutschen, die ihre Rinde am 19. November 2015 liebevoll gestreichelt haben.

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